Barrierefreiheit auf Kongressen – Was Sie schon heute umsetzen können
Barrierefreiheit ist kein «Nice-to-have», sondern ein essenzieller Bestandteil moderner Veranstaltungsplanung. Besonders bei wissenschaftlichen Kongressen, an denen Personen mit unterschiedlichen körperlichen, sensorischen oder kognitiven Voraussetzungen teilnehmen, sollte Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht werden. Dabei geht es nicht nur um gesetzliche Vorgaben, sondern um Inklusion, Teilhabe und Professionalität.
Was bedeutet Barrierefreiheit im Kongresskontext?
Barrierefreiheit umfasst weit mehr als Rampen und rollstuhlgängige Toiletten. Sie betrifft den gesamten Veranstaltungsprozess – von der Einladung über die Registrierung und Anreise bis hin zur Teilnahme vor Ort und der Nachbereitung. Ziel ist es, allen Teilnehmenden einen gleichwertigen Zugang zu Inhalten, Räumen und Interaktionen zu ermöglichen.
Warum Barrierefreiheit schon bei der Planung beginnt
Viele Barrieren entstehen nicht durch bauliche Gegebenheiten, sondern durch fehlende Information oder unzureichende Vorbereitung. Wer Barrierefreiheit ernst nimmt, bezieht sie von Anfang an in die Konzeptionsphase ein. Angefangen bei der Wahl der Location über die Struktur des Programms bis hin zur Kommunikation mit Referierenden und Teilnehmenden. Bereits bei der Ausschreibung oder im Call for Abstracts können konkrete Hinweise zur Barrierefreiheit Vertrauen schaffen und mögliche Hürden abbauen.
Auch im Veranstaltungsdesign lassen sich viele Elemente barrierefrei gestalten – ohne Mehraufwand, aber mit grosser Wirkung. Gut lesbare Schriftgrössen, ausreichender Kontrast auf Projektionsflächen oder der bewusste Einsatz klarer Sprache tragen dazu bei, Inhalte besser zugänglich zu machen. Ebenso sollte das Zeitmanagement berücksichtigt werden: Pausen sollten ausreichend lang sein, um auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder zusätzlichen Unterstützungsbedürfnissen die aktive Teilnahme zu ermöglichen.
Barrierefreie Kommunikation als Schlüssel
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Kommunikation. Sie beginnt nicht erst mit dem ersten Kongresstag, sondern lange vorher – mit der Einladung, der Website oder dem Anmeldeprozess. Diese sollten klar strukturiert, logisch aufgebaut und auf verschiedenen Endgeräten gut nutzbar sein. Auch während der Veranstaltung ist eine inklusive Sprache und eine wertschätzende Ansprache entscheidend, um niemanden auszuschliessen – weder bewusst noch unbeabsichtigt.
Besonders wirkungsvoll ist es, den Dialog mit Betroffenen zu suchen: Was brauchen sie? Was hat gut funktioniert, was weniger? Dieses Feedback hilft, den eigenen Kongress stetig zu verbessern und Barrierefreiheit nicht als statisches Ziel, sondern als fortlaufenden Prozess zu verstehen.
Barrierefreiheits-Check – Orientierungshilfe für Veranstaltende
Diese Checkliste bietet Ihnen eine praxisnahe Orientierung zur Barrierefreiheit Ihres Kongresses. Sie deckt zentrale Bereiche wie Planung, Kommunikation, Infrastruktur und Teilhabe ab.
Die Auswertung basiert auf dem Prinzip:
Mindestens 70 % der Kriterien sollten erfüllt sein, um von einer weitgehend barrierefreien Durchführung sprechen zu können.
Bitte beachten Sie: Diese Checkliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine rechtliche Prüfung. Sie dient als hilfreiches Instrument zur Selbsteinschätzung und Sensibilisierung.
Barrierefreiheit und Gesetzeslage: Was das BFSG für Ihre Veranstaltung bedeutet
Ab dem 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist es, digitale Angebote – wie etwa Ticketshops – so zu gestalten, dass sie für alle Menschen zugänglich sind. Auch bei der Planung von Kongressen bedeutet das: Niemand darf aufgrund von Einschränkungen ausgeschlossen werden.
Was heisst das für Veranstaltende?
Wenn Sie eine Tagung durchführen und dabei auf digitale Tools wie Ticketshops, CMS oder Registrierungsplattformen setzen, müssen diese Lösungen barrierefrei nutzbar sein – insbesondere für Menschen mit Seh-, Hör- oder motorischen Beeinträchtigungen.
Die verwendeten Systeme sollten den Anforderungen des BFSG sowie den Richtlinien der WCAG 2.1 auf Level AA entsprechen. Wichtig ist dabei nicht nur die technische Umsetzung, sondern auch die Inhalte, die über diese Systeme vermittelt werden.
Gilt das auch für Veranstaltende mit Sitz in der Schweiz?
Ja. Auch Schweizer Unternehmen oder PCOs, die Kongresse in Deutschland organisieren oder digitale Leistungen (z. B. Ticketshops, Buchungsplattformen) für ein deutsches Publikum anbieten, müssen das BFSG einhalten.
Das Gesetz gilt unabhängig vom Unternehmenssitz, sobald eine Dienstleistung in Deutschland öffentlich angeboten wird.
Technisch vorbereitet – doch Veranstaltende bleiben in der Pflicht
Auch wenn moderne Tools viele Barrierefreiheitsfunktionen bereits mitbringen, liegt die inhaltliche Verantwortung weiterhin bei den Veranstaltenden. Das bedeutet:
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Prüfen und Anpassen aller selbst bereitgestellten Inhalte
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Klarheit, Verständlichkeit und Zugänglichkeit sicherstellen (z. B. PDFs, Texte, Bilder)
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Strukturierte Inhalte und Alternativtexte verwenden, wo möglich
Informationen zur Barrierefreiheit bereitstellen
Das Gesetz verpflichtet Veranstaltende ausserdem dazu, transparente Angaben zur Barrierefreiheit ihres digitalen Angebots bereitzustellen. Diese Informationen sollten für Nutzer:innen klar zugänglich sein und folgende Punkte beinhalten:
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Den Grad der Barrierefreiheit des Angebots
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Eine Kontaktmöglichkeit für Rückfragen oder Unterstützung
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Angaben zur zuständigen Marktüberwachungsbehörde
Fazit: Barrierefreiheit ist Teil professioneller Kongresskultur
Wer Barrierefreiheit frühzeitig mitdenkt, schafft nicht nur bessere Voraussetzungen für einzelne Teilnehmende – sondern gestaltet einen Kongress, der für alle zugänglich, einladend und professionell ist. Barrierefreiheit ist damit kein Zusatzaufwand, sondern ein Qualitätsmerkmal, das den Unterschied macht. In einer Zeit, in der Diversität und Inklusion zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist sie ein unverzichtbarer Bestandteil jeder zukunftsorientierten Veranstaltungsplanung.